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Silvo Lahtela

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Gendern als Zwangsneurose

Yin Yang Symbol mit Gendersternchen
Warum Gendern eine Zwangsneurose ist und wer die wahren Schutzengel der deutschen Sprache sind.
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Symptom einer Obsession

 

     In der amerikanischen Serie „Sons of Anarchy“ taucht ein männlicher Charakter auf, der ununterbrochen seine Hand in der Hose hat und masturbiert. In der Bar, im Auto, im Supermarkt, überall. Das ist so gestört, daß es selbst dem abgebrühten Boss der Motorradgang zuviel wird und er dem im wahrsten Wortsinne „Wichser“ Prügel androht, falls er nicht sofort mit dieser Macke aufhört.
     Womit man ohne Umschweife beim sogenannten Gendern ist. Denn die ständige Betonung des Sexuellen bei Personen ist eine vergleichbar zwanghafte Obsession, eine Karikatur der natürlichen Sprache. Ich werde das gleich ausführen.

 

Alltagsbeispiel

 

     Aber zunächst, damit alle Leser auf dem gleichen Stand sind, ein kleines Beispiel: „Achtung Autofahrer! Auf der A 115 kommt Ihnen zwischen Spanische Allee und Dreieck Funkturm ein Falschfahrer entgegen.“ Offiziell gegendert würde es heißen: „Achtung Autofahrer*innen! Auf der A 115 kommt Ihnen zwischen Spanische Allee und Dreieck Funkturm ein*e Falschfahrer*in entgegen.“ Im Radio mit entsprechendem Glottisschlag, also einer kurzen Sprechpause nach dem Gendersternchen.

 

Die neurotisch-bürokratische Rechtfertigung

 

     Die Idee hinter dieser künstlich erzeugten Sprachregelung ist, niemanden bei der persönlichen Anrede oder auch bei der unpersönlichen Beschreibung zu diskriminieren oder auszuschließen. Das klassische generische Maskulinum inkludierte zwar Frauen – die „Autofahrer“ bezog sich trotz der grammatisch männlichen Endung „-er“ niemals nur auf Männer, sondern im Prinzip auf alle Wesen, also auch Einhörner oder sogar Einhörnerinnen, sollten diese Autofahren –, aber offenbar kam irgendwann eine neurotische Seele auf die Idee, daß hier eine grundsätzliche Mißachtung von Frauen vorliegen könnte. Neurotisch deswegen, weil natürlich der Kontext beim generischen Maskulinum immer sofort klarmacht, daß es in der Regel nicht geschlechtsspezifisch, also „diskriminierend“ gemeint ist. Normal intelligente Leute verstehen auch mühelos, daß die Frage des Geschlechts etwa bei einer Radiodurchsage über einen aktuellen Geisterfahrer keine Rolle spielt und deswegen logischerweise auch nicht betont werden muß.

 

Eine sprachliche Reglung als Ausdruck einer klassischen Zwangsneurose

 

     Wenn aber etwas, das in der gegenwärtigen Situation überhaupt keine Rolle spielt,  dennoch immer wieder zwanghaft betont wird, haben wir es psychologisch gesprochen mit einer klassischen Zwangsneurose zu tun. Jemand möchte mit Gewalt und völlig unabhängig von der gegenwärtigen Situation den Fokus immer wieder auf einen speziellen Aspekt lenken. Wie  jener Mann in „Sons of Anarchy“, dessen Impuls zur Selbstbefriedigung zusammen mit seiner Hand völlig außer Kontrolle geraten war.

 

Die Eskalation des Genderns: das gefühlte Geschlecht

 

     Oder eben wie beim Gendern, wo losgelöst vom Kontext immer wieder zwanghaft das Augenmerk auf die sprachliche Betonung der beiden Geschlechter oder sogar imaginierter Mischformen gelegt wird. Und weil jede Neurose oder Sucht unbehandelt oft immer weiter überdreht, ist es nicht besonders erstaunlich, daß inzwischen die Tendenz dahingeht, auch das „gefühlte“ Geschlecht sprachlich berücksichtigen zu müssen. Als beispielsweise im Deutschen Bundestag die AfD-Abgeordnete Beatrix von Storch den biologischen Mann Tessa Ganserer nicht als Frau, wie dieser sich fühlte, sondern mit „Herr“ als Mann ansprach, erhielt sie von der Bundestagspräsidentin eine finanzielle Ordnungsstrafe wegen sogenannter Mißachtung der Würde des Parlaments.
     Eine objektive Tatsachen-Aussage über eine Person wird also bestraft, weil sie mit dem subjektiven Empfinden dieser Person nicht übereinstimmt und wird juristisch gewertet wie eine Beleidigung. Der Maßstab von Sprache wird damit von der Wirklichkeit strukturell entkoppelt und stattdessen an die völlig willkürliche Vorstellung irgendeiner Person oder sogar Institution gebunden.

 

Vollkontakt mit der Wirklichkeit oder Unterwerfung unter Ideologie

 

     Sprache, die diesen Namen verdient, lebt überall auf der Welt vom Vollkontakt mit der Wirklichkeit. Wenn stattdessen mehr und mehr künstliche Filter vorgeschaltet werden, wie man die Wirklichkeit zu sehen und darzustellen hat, kann man sich zumindest von authentischer Literatur verabschieden. Was in Deutschland selbst möglicherweise nicht mehr auffällt, wo öffentliche Hinweisschilder in „leichter Sprache“ in Parks etwa über Beete aufklären: „In den Beeten wachsen Sträucher. Die Sträucher sind sehr klein. Zwischen den Sträuchern liegen viele Steine. Die Beete sehen von oben wie ein bunter Teppich aus.“

 

Die sprachliche Regression in Deutschland

 

     Eine nicht nur sprachliche Regression, die ähnlich wie das Gendern auf der Vorstellung beruht, Sprache dürfe niemanden ausschließen; in diesem Falle wird also auf jene Menschen Rücksicht genommen, die des Deutschen kaum mächtig sind.

      Daß durch diese Anpassung auf Kita-Niveau die deutsche Sprache selbst zur Karikatur von Kommunikation und Gestaltung wird, kümmert offenbar in Deutschland immer weniger Leute. Beziehungsweise scheint  im kulturellen Mainstream unbewußte und tiefe Wurzeln geschlagen zu haben: Ein Verleger meinte mal zu mir, daß meine Sätze zu lang seien. Was wiederum an die Bemerkung Kaiser Joseph des Zweiten zu Mozart anläßlich der „Entführung aus dem Serail“ erinnert: „Zuviele Noten. Streich er einige weg, und es ist richtig.“ Womit ich mich nicht mit Mozart vergleichen möchte. Aber durchaus die gegenwärtige offizielle Kulturszene mit einem relativ simpel gestrickten  Bewußtsein.

 

Thomas Mann:

„Where I am, there is Germany. I carry my German culture in me.“

 

Aber zumindest international dürfte es von einigen wachen Geistern noch wahrgenommen werden, daß sich die hochentwickelte und weltweit geachtete Sprache von Kafka, Rilke, Heine, Thomas Mann und wie sie alle heißen, in einer kontinuierlichen und politisch geförderten Abwärtsspirale befindet.

       Daß Deutschland seine Dichter der Bürokratie und der Ideologie zum Fraß vorwirft, ist zwar historisch nichts Neues. Heines: „Denk ich an Deutschland in der Nacht, bin ich um den Schlaf gebracht“ , war trotz des lustigen Reims bitter ernst gemeint gewesen. Oder als Thomas Mann 1938 aus Nazideutschland emigrierte und  bei der Ankunft in New York in einem Interview sagte: „Where I am, there is Germany. I carry my German culture in me.“ Womit er auf sehr souveräne Weise den Abgrund ausdrückte, der die offizielle Kulturpolitik der damaligen Zeit von der wirklich schöpferischen Kultur Deutschlands trennte. Ich kann mich dieser Haltung trotz des zeitlichen Abstandes problemlos anschließen.

 

Die eigenständigen Dichter und der Herdentrieb des Kollektivs

 

     Die Heimatlosigkeit deutscher Dichter und Dichterinnen gegenüber ihren Zeitgenossen ist ein durchaus chronisches Phänomen, ein Klassiker der gegenseitigen Entfremdung. Was möglicherweise viel damit zu tun hat, daß der typische deutsche Bürger im Zweifelsfall eher die Sicherheit des Kollektivs sucht, welcherart auch immer dieses sei, als das Risiko eines eigenen Weges auf sich zu nehmen. Wirklich „freie“ Geister, also Leute, die sich selbst ihre Gedanken machen, werden hierzulande traditionell mißtrauisch bis aggressiv beäugt.   

     Die blinde Begeisterung der Massen für die sogenannten Corona-Impfungen beispielsweise – als sei die Spritze der Kuß Gottes statt eine hochriskante Manipulation des menschlichen Immunsystems – und die gleichzeitige spiegelbildliche Herabwürdigung kritischer Stimmen bilden das letzte aktuelle Update zu diesem Wesenszug von fehlender Eigenständigkeit im Denken oder reflexhafter Autoritätsgläubigkeit, – wenn es wirklich ernst wird.

 

Gendern als bürokratische Sprachvergewaltigung

 

     Was aber heutzutage wirklich neu ist, um wieder auf das eigentliche Thema zurückzukommen, ist, daß jetzt mit dem Gendern die Qualität der Sprache selbst und nicht mehr nur die Autoren, die diese mehr oder weniger begabt verwenden, in die Tonne getreten wird.

      Um es zu wiederholen: Wenn man als Autor beispielsweise schreiben soll, sonst wird man vielleicht vom Verlag nicht mehr gedruckt: „Die Mörder*innen (weil auch Frauen dazugehörten, wobei auffälligerweise negative Charakterisierungen seltener gegendert werden) versammelten sich und eine*r von ihnen baute einen Joint.“ – Dann kann man das literarische Schreiben im Grunde gleich sein lassen, weil ein solcherart bürokratisch gebrandmarkter Text spätestens in ein paar Jahren, wenn das natürliche Sprachgefühl sich evolutionär wieder durchsetzt, als unlesbar empfunden werden wird.

 

Parallele des Genderns zur Zwölftonmusik

 

     Das ist so sicher wie der Sonnenschein nach dunkler Nacht. Man denke beispielsweise an das Schicksal der Zwölftonmusik. Wie das gegenwärtige Gendern ging es dabei um „Gerechtigkeit“: Jeder der zwölf Halbtöne der chromatischen Tonleiter sollte also in jedem Stück Musik auftauchen, um damit die „Diskriminierung“ von bisher unberücksichtigten Tönen zu beenden. So war ja in einem klassischen Klavierkonzert in C-Dur kein Platz etwa für den Halbton „Es“, weil dieser Ton im Zusammenhang von C-Dur als disharmonisch empfunden wurde. Der Ton „Es“ (und einige andere)war also in der Regel „ausgeschlossen“.

      Die Zwölftonmusik machte mit dieser Diskriminierung zwar ein Ende, allerdings auch mit Musik als solcher, da der erzeugte tonal „korrekte“ Einheitsbrei letztlich niemanden berührte. Ein paar Takte von Mozart, ein inspiriertes Jazzsolo, ein berührender Gesang reichten normalerweise aus, – und die meisten hatten die Zwölftonmusik verständlicherweise schon wieder vergessen.

 

Gendern als  Strohfeuer

 

     Dieses schnöde Schicksal wird auch das Gendern eher früher als später erfahren. Nicht unbedingt aus politischen Gründen; sondern weil Sprache am Ende des Tages der realen Kommunikation dient und kein Mensch auf Dauer komplizierte Regeln befolgen wird, die überhaupt keinen praktischen, sondern nur ideologischen Sinn machen. Wer erinnert sich nicht an die Politiker während der Coronazeit, die öffentlich Maskenpflicht predigten, aber sich selbst bei erster Gelegenheit privat und fröhlich die Dinger von ihren Gesichtern rissen?! Diese evolutionäre Befreiung von überflüssigen Ballast ist mehr oder weniger auch beim Gendern unausweichlich.

 

Die blinde Unterwerfung unter Regeln  in Deutschland

 

     Das wirkliche Problem beim Gendern ist so gesehen nicht das Gendern selbst, – diese Sprachneurose wird evolutionär verschwinden, weil es eben kommunikativ nichts taugt. Sondern daß viele Menschen sich in diesem Land gedankenlos und unterwürfig ohne innere Reflexion jeder Regel beugen.

    Es nützt also überhaupt nichts, auf die strukturellen Mängel beim Gendern hinzuweisen, auf die neurotische Überdrehung des Sexuellen, wenn selbst die unsinnigsten Anweisungen von Leuten allein schon deswegen befolgt werden, weil sie „nun mal da sind“. Und einem das gute Gefühl geben, sei es historisch auch vergänglich wie eine Eintagsfliege und inhaltlich eine völlige Fata Morgana, als Zeitgenosse, aber vor allem als Mitläufer zu den Guten und Gerechten zu gehören.

 

Die Schutzengel aus allen Zeiten sind unter uns

 

     Die deutsche Sprache wird diese ideologischen Attacken am Ende überstehen, sei es auch nur deswegen, weil es immer wieder Menschen wie Thomas Mann geben wird, in denen das Herz der Sprache auch unter unwirtlichsten Bedingungen weiter lebendig schlägt. Ob Nobelpreisträger oder Kassierer im Supermarkt spielt dafür übrigens keine Rolle; die Schutzengel der Sprache nehmen so viele Gestalten an, wie es geistig wache Menschen gibt.

4 Antworten

  1. Meine Reaktion bei Gendern-Insistierer: Haben sie nicht andere Probleme?

    Mein Bekannter Bernd Wagner zog einen Buch (das spielte in der Zeit VOR der „Gendern“-Epidemie) vom Verlag zurück, weil sie auf Gendern bestanden und er nicht einverstanden war.

    12-Ton-Musik überlebt als Soundtrack in Horrorfilme.

  2. Vielleicht sollte man das generische Maskulinum mit dem generischen Neutrum – wie DAS Mädchen – ersetzen, dann sind alle Menschen „neutral“ und keiner fühlt sich beleidigt. Möchte man aber in solcher Gesellschaft leben?
    Der Sprachwandel ist ein natürliches Phänomen, denn die Sprache „lebt“ und verändert sich ständig. Sonst würden wir alle indogermanisch sprechen. Die Sprache verändert sich aber natürlich und nicht durch eine künstliche „Infektion“. Die Tatsache, dass das Gendern so schnell in Deutschland verbreitet, deutet aus meiner Sicht auf Coronaimpfschäden hin. Sogar in deutschen Ämtern, wo es sich per Definition alles langsam vollzieht, findet man mindestens drei Auswahlmöglichkeiten beim Geschlecht. In allen Schulen und Unis wird das Gendern gelebt. Und das infiziert den Nachwuchs, sodass es eine gendergerechte Generation erzogen wird. Elon Musk bezeichnet das Gendern als Spaltung der Gesellschaft.

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